Nun verbrachte ich fast meine gesamten Tage zu Hause mit dem Lesen von Büchern. Ein anderer Nachbar hatte mir die Koranauslegung des “Elmalili Hamdi” gegeben, die ich neben den acht Bänden des Hadis, ständig las. Ab und zu gab ich Englisch-Unterricht und erhielt dafür ein paar Münzen.
Es war nun mein einziges Ziel, meinem Gott ein guter Diener zu sein und auf dem Wege des Rasul Allahs den Menschen zu dienen.
Natürlich hinterfragte ich dabei ständig, warf Fragen auf und suchte nach den Antworten. In meiner Einfalt und meinem Vertrauen hatte ich inzwischen sogar zu glauben begonnen, dass alles, was die Religion sagt, richtig sei, dass “die Erde flach sei und der Nil deshalb zum Äquator hin fließe”.
Da meine Fragen nicht endeten, machte man mich zuerst mit dem mittlerweile verstorbenen Gönenli Mehmet Efendi und später mit dem Seyyid Osman Efendi aus Medina bekannt.
Mit Osman Efendi hatte sich innerhalb kurzer Zeit ein Verhältnis wie Großvater und Enkel ergeben. Warum auch immer, jedenfalls aber hatte er mich sehr lieb gewonnen! Er begann mir sehr geheimes Wissen mitzuteilen.
In der Zwischenzeit hatte ich auch begonnen Tasavvuf-Bücher zu lesen... Was ich in Büchern von Abdulkadir Geylani, Imam Gazali, Muhiddin A’rabi, Şah Nakşibendi und vielen anderen las, veränderte meinen Blickwinkel vollkommen! Ich hatte begonnen, “Allah zu entdecken” und mich vom Begriff “eines Gottes zu entfernen”!
Das ging so weit, dass mich die Unterhaltungen von Mehmet Zahid Kotku Efendi und dem Erenköylü Sami Efendi über “Zahir”, das Augenscheinliche, und “Kesret”, die Vielfalt, zu denen man mich mitgenommen hatte, nicht mehr befriedigten, da sie weit entfernt von meinem Verständnis der “Einheit” waren. Vielleicht lag das an der Umgebung, in der sie sich befanden, oder es war in den Bedingungen jener Zeit begründet.
Ich suchte tiefe Gespräche über die “Einheit” - “Vahdet”...
In jener Zeit hatte mich ein 106 jähriger Naqshbandi Scheich, der mich in der Moschee gesehen hatte, zu sich gerufen und mir folgendes vorgeschlagen:
“Bete die Ihlas Sure 100.000 mal und komm dann zu mir”...
Nachdem er das gesagt hatte, begann ich mit beten und habe die 100.000 in 20 Tagen bewältigt. Ich habe ihn aber nie wieder gesehen, da er in der Zwischenzeit das Zeitliche gesegnet hatte.
Nunmehr hatte sich meine Beurteilung hinsichtlich des “Offenbaren” und des “Förmlichen” gewandelt. Ich begann alles gemäß der “Einheit / Vahdet” zu hinterfragen und zu beurteilen.
In dieser Zeit schrieb ich das Buch “TECELLIYAT”, eine Folge von diesem Verständnis und meiner Empfindung.
Dieses Buch war der Same zu meinen heutigen Ansichten! Der Same ist aufgegangen, und die Bücher, die ich bisher veröffentlicht habe, sind zu seinen Ästen geworden. Seine Blätter rauschten durch das Internett in alle Welt!
Ja, Jahre später habe ich aufgrund meiner Anfangszeit bemerkt, dass die Mehrheit der Menschen sich nur mit der offensichtlichen Bedeutung der Worte des erhabenen Korans befassen. Sie wollen keine Zeit darauf verwenden, den Koran zu verstehen oder über seine Botschaft nachzudenken.
Anstelle von Verstehen, von Hinterfragen und überlegt Handeln, sind sie damit zufrieden, Diener zu sein!
Sie achten gar nicht darauf,dass die Worte Hüllen oder Kleider für das sind,was übermittelt werden soll!
Es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, dass der Befehl: “Schau nicht nach Verbotenem!”, nicht das Schauen mit den Augen meint, sondern bedeutet, dass man das Verbotene nicht begehren soll! Sie bemerken nicht, dass nicht der Gegenstand verboten ist, sondern das Begehren eines Gegenstandes, der einem nicht zusteht!
Sie haben eines der wichtigsten Prinzipien des Islam nicht verstanden:
“Keinen Groll auf den Täter zu hegen, sondern gegen die Tat”.
Der Wert aller, seit Hz. Ebu Bekir und Hz Ali. da gewesenen Meisterund ihre Gedanken zu Tasavvuf, die den Islamauf ihren Schultern bis in diese Tage getragen haben,ist unbekannt.
Im Raum des Geschehens hat sich geradezu ein blindwütiges Durcheinander etabliert.
Ein jeder hat sich unter den Religionsgelehrten und Wissenden der Vergangenheit eine Bezugsperson gesucht und hat sich auf diese beschränkt. Es ist dabei niemandem bewusst, dass er selbst, direkt vom erhabenen Koran und dem Rasul Allahs angesprochen wird!
Gerade jetzt, wo wir in einer Zeit angelangt sind, in der die Menschen fast im Namen Gottes umgebracht werden!
Wo diejenigen, die sich im Namen Gottes als Kalifen Gottes ausgeben, um ihre Ambitionen der Gewaltherrschaft zu befriedigen, nicht davor zurückscheuen, die Menschen mit der Peitsche in die Moschee zu treiben, sie zum Fasten und Bedecken des Kopfes zu zwingen!
Darüber hinaus gibt es dann auch noch diejenigen, welche nach einer Republik, dem Vorbild des Iran oder eine Demokratie nach dem Muster der alten DDR streben, und während sie von den Menschenrechten reden, allen Lebensraum bis fast in die Schlafzimmer der Menschen hinein, zu öffentlichem Raum ausrufen und wenn möglich, sogar noch deren Atemzüge überwachen lassen würden und in der Befehls- und Führungskette nur ihre eigenen Wünsche verwirklichen lassen wollen.
Gott bewahre meinen Verstand!
Werden wir nie eine Umgebung sehen, in der die Menschen einander respektieren und niemand die persönlichen Rechte eines anderen verletzt?
Denkst Du etwa, dass wir das gar nicht “verdienen”?!
Meinst Du, dass die Völker von jenen regiert werden, die sie “verdient” haben?...